Ich lese Carmen Jauds Gedichtzyklus «morgenflor» und ich staune. Dieser Text ist so ungeheuer gross, dass man sich darin verlieren kann. Ich lese ihn langsam und mit angehaltenem Atem, weil ich kein Wort und keine Formulierung verpassen möchte. «morgenflor» erzählt von einer Tierwerdung, vom Übergang zur Natur, zum Boden. Hier wachsen Schwimmhäute und Flügel, verlieren sich Echos, und es stellen sich die Fragen: wohin? Und wozu? Für ihre lyrische Sprache borgt sich Carmen Jaud Begriffe aus anderen Bereichen, aus Naturwissenschaft und Technik. Sie macht sie sich zu eigen, streift sie über wie eine neue Haut, die wie angegossen passt. Ihre Lyrik erschliesst sich einem nicht sofort, aber sie berührt einen direkt und tief. Carmen Jaud schürft lange, bis sie ein Bild aus der Tiefe hebt, sie schält es heraus, bis es sich passgenau in den Text einfügt. Gesucht wirken ihre Bilder nie. Im Gegenteil: Sie können nur hier, und genau hier stehen.
Carmen Jaud, herzliche Gratulation!